Robert Anders ist ein ausgewiesener Experte im Bereich des digitalen Vertriebs in der Tourismusbranche und seit 2017 als Head of Sales bei Comtravo tätig. Comtravo ist ein B2B All-In- One-Tool für Geschäftsreisen. Mit der innovativen Technologie von Comtravo können Kunden ihr Geschäftsreisemanagement optimieren und dabei Geld und Zeit sparen. 2015 gründete er Travelcircus und war dort als Director Sales erfolgreich. Davor arbeitete er als Director of Sales Travel für Groupon EMEA.
Hallo Robert, stell Dich und Deine Rolle bei Comtravo doch einmal bitte kurz vor.
Ich bin seit zweieinhalb Jahren Head of Sales bei Comtravo. Wir sind eine Business Travel Software, mit der mittelständische Unternehmen ihre Geschäftsreisen einfacher und günstiger organisieren können. Wir haben mittlerweile ein Growth-Team mit knapp 40 Leuten aufgebaut und ich bin innerhalb dieses Teams vor allem für den Sales Bereich verantwortlich.
Spannend ist, dass Comtravo ja erst vor Kurzem eine - vor allem für deutsche Verhältnisse - riesige Finanzierungsrunde abgeschlossen hat. Damit habt ihr schon einiges erreicht. Was mich immer wieder interessiert ist, ob man als Sales Executive überhaupt noch pitchen kann? Gib uns doch bitte einen kurzen Elevator Pitch, was Comtravo genau macht.
Comtravo hilft Unternehmen dabei ihren gesamten Geschäftsreiseprozess drastisch zu vereinfachen. Damit kannst du deine Reisen in wenigen Minuten planen, hast günstigere Buchungen im Vergleich zu den Wettbewerbern und eine automatisierte Abrechnung. Comtravo ist also für alle mittelständischen Unternehmen in der D-A-CH-Region ein wunderbares Tool, um interne Prozesskosten relevant zu reduzieren und so mehr Zeit für wertschöpfendere Aufgaben zu schaffen.
Wie ist eure Vertriebsorganisation aufgestellt, welche Bereiche gibt es und wie sind diese miteinander verzahnt?
Vorneweg haben wir natürlich ein Marketing- und Leadgenerierungs-Team mit einem sehr breiten Spektrum an Marketingkanälen stehen: von Performance Marketing über Brand Marketing bis hin zu Cold Calling ist hier alles dabei. Sie haben vor allem die Aufgabe, Marketing-Qualified-Leads zum Sales-Team rüber zu spielen.
Im Sales-Team übernehmen wir dann den Kunden mit einer detaillierten Bedarfs- und Prozessanalyse sowie einer Produktdemo. Wenn der Kunde unser Produkt interessant findet, kann er es 30 Tage kostenlos testen und wird währenddessen eng von einem Sales Manager begleitet. Nach 30 Tagen wird dann im Optimalfall ein Rahmenvertrag geschlossen, womit unsere dritte Abteilung ins Spiel kommt: unser Customer-Success-Team. Die Kollegen machen das Onboarding und betreuen die Kunden langfristig. Natürlich gibt es gerade an den Schnittstellen eine enge Kooperation. Vor allem gibt das Sales-Team kontinuierlich Feedback an das Marketing-Team. Hier geht es also darum, wie die Qualität der Leads war oder was eventuell noch an Informationen gefehlt hat.
Was zeichnet Deiner Meinung nach einen guten Vertrieb aus und worauf legst Du bei Comtravo primär Wert?
Ich bin der Meinung, das alles damit beginnt, dass man erst einmal an der richtigen Zielgruppe arbeitet. Du musst dir also erst einmal bewusst werden, wie dein idealer Kunde überhaupt aussieht: in welcher Branche ist dieser? Welche Unternehmensgröße weist er auf? Wer ist die entsprechende Buyer-Persona - also mit welchen Personen sprichst du vor Ort? Wenn man diese Datenpunkte regelmäßig analysiert und immer wieder Feedback zurück an das Sales- und Marketing-Team spielt, ist das ein ganz wichtiger Faktor, um Conversion Rate und Saleszyklen zu optimieren.
Auf den Vertriebler bezogen sind mir zwei Dinge wichtig: Erstens, einen beratenden Ver- triebsansatz zu haben. Wir müssen davon wegkommen, einfach alle Features unserer Produkte zu erläutern. Stattdessen sollten wir zu Fragen gelangen wie “Was sind eure drei größten Herausforderungen im gesamten Prozess?” und “Was müsste passieren, damit ihr nach zwei Jahren sagt, es war eine super Entscheidung auf Produkt XYZ zu wechseln?”
Wenn man wirklich als ganzheitlicher Berater wahrgenommen wird und man zusammen mit dem Kunden kritisch schaut, ob die eigene Lösung sicher auch das Beste für den Kunden ist, dann hat man oft schon einen ganz großen Vertrauensvorsprung. Das hilft wiederum, um beispielsweise die Prozesskosten genau analysieren zu können und somit neues, meist viel größeres Spar- beziehungsweise Optimierungspotenzial zu identifizieren.
Zweitens geht es um gutes Change Management, also darum, die Unternehmen an die Hand zu nehmen und in die Lage zu versetzen, Veränderungen einfach und spielerisch zu implementieren. Wenn ich es schaffe, meiner Ansprechperson diesen Wechsel drastisch zu vereinfachen und es intern effizient an alle Stakeholder zu verkaufen, dann ist das mehr Wert, als beispielsweise 10% günstiger im Vergleich zur Konkurrenz zu sein.
Das ist ein überaus spannender Ansatz. Ich kann mir auch vorstellen, dass man dadurch Nachhaltigkeit integriert bekommt, anstatt immer nur auf den kurzfristigen Deal Flow zu schauen. Somit wird der Fokus eher auf langfristige Beziehung gelegt und der nachhaltige Erfolg gesichert.
Absolut. Wenn du als Berater wahrgenommen wirst, bleibst du auch im Kopf, wenn der Abschluss nicht direkt gelingt und ein halbes oder ein Jahr später das Thema wieder hoch kommt.
Was war für euch im Vertrieb die größte Challenge und wie habt ihr sie, wenn überhaupt, gelöst?
In 2019 hatten wir tatsächlich an einem größeren Thema zu knabbern. Comtravo hat kein Lizenzmodell pro Nutzer, sondern verdient an jeder getätigten Buchung beziehungsweise Transaktion. So ist es für uns besonders wichtig, dass wirklich die ganze Firma über uns bucht und nicht doch vereinzelt noch Reisebuchungen über Hotelportale oder beispielsweise die Deutsche Bahn separat hinzukommen. Im letzten Jahr mussten wir daher einiges nachholen, damit dieser Change-Prozess auch wirklich in allen Abteilungen und bei allen Mitarbeitenden unserer Kunden ankommt.
Was haben wir da gemacht? Wir haben das Sales-Team in die Pflicht genommen und die Verantwortung nicht allein beim Customer-Success-Team belassen. Das Bonus Modell wurde daraufhin angepasst und der Onboarding-Prozess soweit verändert, dass auch der Sales-Mitarbeiter involviert ist, weil er zu dem Zeitpunkt die stärkste Beziehung zum Kunden hat. Nun sind beide Abteilungen gemeinsam dafür verantwortlich, dass der Kunde all seine Reisen wirklich über uns bucht.
Zusätzlich haben wir das Customer-Success-Team ausgeweitet, damit eine engere Betreuung möglich ist. Damit haben wir bereits gute Erfolge erzielt. Darüber hinaus fingen wir an, den Net Promoter Score (NPS) aktiv zu messen. Dort sieht man deutlich, welche Unternehmen nach unten ausreißen. Man erhält darüber hinaus ein wertvolles Feedback, welche Reisenden nicht glücklich sind und warum sie uns aktuell nicht weiterempfehlen würden.
Welchen Einfluss haben Deiner Meinung nach Prozesse und Automatisierungen auf den Vertrieb und auf den Umsatz? Was können hier ausschlaggebenden Gründe sein, warum das so ist?
Ich kann mir hier folgenden Aspekt vorstellen: Wenn du gute Prozesse in deinem CRM- System hast, kannst du damit auch dem Produkt-Team helfen, ihr Produkt nah am Kunden weiterzuentwickeln. Wenn das ganze Team Kundenfeedbacks einsammelt und sich als Teilzeit-Produktmanager sieht, kann das ein super Turbo für das Unternehmenswachstum sein. Denn wenn ich belegen kann, dass beispielsweise Einkäufer von Bauunternehmen mit 500+ Mitarbeitenden sagen, wir brauchen dieses oder jenes Feature, dann kann ich natürlich viel näher am Kunden ein entsprechendes Produkt bauen.
Generell bin ich sonst mit unseren CRM darauf bedacht - wir nutzen übrigens Salesforce -, dass es immer der Single Point of Truth ist. Also das alles, was an Daten irgendwo generiert wird, auch in Salesforce abgebildet ist. Ein sehr wertvoller Aspekt für das Reporting und Dashboarding!
Vielleicht noch ein Punkt zu dem Thema Prozesse: Ein Playbook ist nicht nur für Pitches, sondern auch für die richtige CRM-Nutzung hilfreich. So kannst du vor allem neuen Mitarbeitenden helfen, viel schneller und effizienter mit den Tools umzugehen. Das bedeutet, es verkürzt damit auch die Onboarding-Zeit der neuen Mitarbeitenden.
Du hast gerade eben auch gesagt, dass Daten ein großes Thema sind. Welche Rolle spielen Daten denn in euren täglichen, aber auch in euren strategischen Vertriebs-Überlegungen?
Beispielsweise haben wir durch eine gelungene Datenanalyse vor kurzem zwei völlig neue Abteilungen geschaffen, weil wir uns angeschaut haben, bis zu welcher Kundengröße unser Inside Sales-Team, das aus dem Büro arbeitet, die Kunden mit einer zufriedenstellenden Conversion Rate closed.
Dort war zu sehen, dass es da eine ziemlich klare Grenze gibt. Daher haben wir bewusst jeweils eine Person für den Außendienst und eine für den Enterprise Sales eingestellt. Die bearbeiten wiederum andere Kunden-Größen, sind häufiger direkt beim Kunden vor Ort und haben andere Targets. Das alles ist nur möglich gewesen, weil wir gute Daten hatten. Und weil eben diese Daten es uns erlaubten, genau solche Erkenntnisse zu gewinnen und somit auch die Schaffung dieser beiden neuen, klar abgesteckten Abteilungen zu begründen. Natürlich ist es im täglichen Tun unabdingbar, dass wir uns über Reports und Dashboards die Daten anschauen und dann viel darüber steuern. Jeder für sich selbst und ich von der Management Seite aus.
Über unsere Dashboards schaue ich mir generell häufig an, wie die Pipeline an potenziellen Kunden aussieht, auch um zu sehen, wo ich mit rein gehen sollte und wo noch Unterstützung gebraucht wird. Außerdem kann ich über die Daten in den einzelnen Funnel-Schritten gut erkennen, wer beispielsweise stark darin ist, die Kunden darin zu begeistern, eine Testphase zu starten oder wer beispielsweise nicht so stark im Closing ist. Es ist extrem effektiv, weil man durch diese Menge an Daten eben auch viel gezielter Feedback geben und coachen kann.
Was glaubst Du müssen Unternehmen in Bezug auf Vertrieb ändern?
Eine Sache, die ich in den letzten Jahren für mich festgestellt habe ist, dass Spezialisierung oft ein sehr guter Schlüssel zum Erfolg und zu mehr Wachstum ist. In den meisten Unternehmen gibt es oft Allrounder, die etwa von der Kaltakquise über die Bestandskundenbetreuung von allem ein bisschen, aber nichts richtig fokussiert machen.
Ich erkenne jedoch, dass meine Leute genau dann am erfolgreichsten sind, wenn sie wirklich einen glasklaren Fokus haben - und wenn sie dabei möglichst wenig von irgendwelchen an- deren Projekten oder zu vielen weiteren Aufgaben abgelenkt sind.
Es ist also erfolgsversprechender, nur zwei bis drei KPIs zu definieren, von denen dann jeder genau weiß, wie er sie erreichen kann. Dann wird sich eben nur darauf konzentriert.
Ich empfehle also immer wieder mal den eigenen Sales-Prozess zu hinterfragen und zu schauen, ob die Leute genug Fokus haben und ob sie genau wissen, wie sie ihre zwei bis drei KPIs gut erreichen können.
Das sehe ich tatsächlich sehr ähnlich. Wenn jeder immer alles macht - über Lead Generierung und Closing bis hin zu After Sales oder Relationship - dann ist es einfach zu unfokussiert und man hat zu viele Schlupflöcher.
Zusätzlich legen meiner Meinung nach noch viel zu wenig Unternehmen wirklich den Fokus auf professionelles Change Management. Es ist oft so, dass nach der Produktdemo eine Präsentation oder ein Angebot mitgeschickt wird. Hier wird dann einfach gehofft, dass der Empfänger das intern weiterträgt. Dabei ist es viel wichtiger, hier mehr kreative Gedanken zu investieren und sich damit zu beschäftigen, wie ich meinem Ansprechpartner wirklich helfen kann, das Thema bestmöglich intern zu verkaufen beziehungsweise voranzutreiben.
Um noch einmal auf euch zurückzukommen: Was habt ihr in den nächsten Jahren wachstumstechnisch bei Comtravo vor?
Durch unsere Series B sind die Wachstumsansprüche natürlich nicht kleiner geworden. Wir bleiben jedoch vorerst im - sehr großen - deutschen Markt tätig, weil wir hier genug Potenzial sehen, um unsere ambitionierten Wachstumsziele für die nächsten ein bis zwei Jahre zu erreichen.
Hervorragend. Gehen wir noch einmal kurz auf die Unternehmenskultur ein. Welche Auswirkung hat eine gute oder generell eine Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg?
Ich glaube, diesen Faktor kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Wenn Du keine gute Unternehmenskultur und keine klare gemeinsame Vision hast, ist das sehr hemmend für die Motivation jedes Einzelnen und damit für die Umsatzentwicklung. Für mich geht es bei der Unternehmenskultur vor allem darum, dass man psychologische Sicherheit schafft. Wenn man sich sicher dabei fühlt, Feedback zu geben und Fehler zu machen - wenn man Lust daran hat, zusammen mit dem Unternehmen zu wachsen - dann hat man einen ganz anderen Spirit im Unternehmen.
Ein wichtiger Punkt in der Kultur eines Unternehmens ist auch, dass die Mitarbeitenden selber Dinge entscheiden und beeinflussen können und sich als eigene kleine Unternehmer im ganzen Unternehmen fühlen.
Das sind Faktoren, wo ich merke: Wenn wir das gut hinbekommen und täglich leben, dann erfährt das Team dementsprechend viel mehr Impact und einen nachhaltigen Erfolg.
Ich glaube, das unterschätzt man vor allem in der Erziehung des Vertriebsteams. Häufig denkt man eher, man muss beim Vertriebsteam einfach nur die Peitsche zücken und die bringen dann die Umsatzzahlen. Dabei ist es doch viel eher so: Desto glücklicher die Menschen sind, desto mehr verkaufen sie - das darf man nicht vergessen. Egal welches Ticket wir verkaufen, der Mensch gegenüber kauft immer auch emotional. Das bedeutet, dass wenn die Menschen glücklicher sind, alle ein besseres Gefühl haben.
Wie müssen Deiner Meinung nach Unternehmen also zukünftig aufgestellt sein, um wirklich erfolgreich zu agieren?
Wenn ich mir jetzt vor allem den Vertrieb anschaue oder wenn es um die generelle Wachstumsfrage geht, sind zwei Sachen wichtig: Einmal, dass du in der Lage bist, gut einzustellen. Wenn du Top Performer an Bord bekommst, macht das den größten Unterschied. Deswegen ist es auch wichtig, in die eigene Employer Brand zu investieren. Die Leute müssen für sich genau dort ein Weiterentwicklungspotenzial erkennen. Und das für ganz verschiedene Themen wie Gehalt, Fähigkeiten, Wissen oder Netzwerk.
Wir hinterfragen daher regelmäßig: “Bieten wir ein Gesamtpaket an, dass Leute anzieht, die in den Top 5% bei anderen Firmen performen?” Zweitens ist es aber auch wichtig, sich nicht abhängig zu machen von einzelnen Top Performern, sondern seinen Umsatz über Daten und Prozesse predictable zu machen. Dann ist man als Gesamtorganisation viel stabiler, kann Ausfälle oder gar Abgänger leichter verkraften.
Eine letzte Frage: Wenn Du einem Unternehmen oder auch einem Unternehmer einen Tipp mitgeben könntest, was bei der Führung einer Vertriebsorganisation zu beachten ist - welcher wäre das?
Da würde ich nochmal das Stichwort Ownership auswählen.
Wenn deine Teammitglieder wirklich Verantwortung für ihre Rolle und für das Ausführen ihrer Tätigkeiten fühlen, dann ist da ganz viel Musik drin. Dazu gehört auch, asynchron und selbstständig arbeiten zu können und dass der “Chef“ weder die zentrale Wissensquelle, noch der alles entscheidende Fixpunkt ist.
Ich mache es so, dass die Leute sich beispielsweise selber Ihre Quartals-KPIs setzen. Hier geht es also darum, was sie selbst erreichen wollen und können. Daraufhin erhöht sich das Commitment und ich bin hier dann mehr als Coach aktiv, der den einzelnen Mitarbeitenden hilft, ihre Ziele zu erreichen. Das ist für beide Parteien viel erfüllender.
Vielen Dank, lieber Robert, für das Interview! Das sind überaus spannende Ansätze, zu denen ich eine sehr ähnliche Meinung habe.
Übrigens arbeitet Robert mittlerweile als VP Sales Services bei Cremanski & Company und kümmert sich hierbei vor allem in den Bereichen Interim Management, Coaching & Leadership Development, Sales Consulting sowie Due Diligence Sales Organisation um unsere Kund:innen.